Am 6. Juni 2023 ist die Entgelttransparenz-Richtlinie der Europäischen Union in Kraft getreten. Sie stärkt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Mit dieser Richtlinie soll nun europaweit dem Gender Pay Gap, also dem geschlechtsspezifischen Lohngefälle, durch mehr Transparenz von Entgeltstrukturen und entsprechenden Durchsetzungsmechanismen entgegengewirkt werden.
Neue EU Richtlinie: Mit Transparenz gegen Lohndiskriminierung am Arbeitsplatz
Gender Pay Gap und Lohntransparenz
Der Gender Pay Gap ist Folge eines komplexen Zusammenspiels unterschiedlicher Ungleichheiten am Arbeitsmarkt. Im Lebensverlauf setzt sich die geschlechtsspezifische Lohnungleichheit fort, so dass sich das Armutsrisiko von Frauen besonders im Alter erhöht. In Deutschland lag der Gender Pay Gap zwischen Frauen und Männern im Durchschnitt im Jahr 2022 bei rund 18 Prozent. 2006 waren es noch 23 Prozent. Damit zeichnet sich die Tendenz ab, dass der geschlechtsspezifische Lohnabstand sinkt – allerdings nur langsam. Dementsprechend haben alle bisherigen Gleichstellungsberichte der Bundesregierung die Durchsetzung von Entgeltgleichheit und Entgelttransparenz zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Lohndiskriminierung mit verschiedenen Schwerpunkten aufgegriffen, denn Entgelttransparenz trägt dazu bei, das Lohngefälle zu verringern.
Handlungsempfehlungen der Gleichstellungsberichte
Bereits der Erste Gleichstellungsbericht (2011) forderte Maßnahmen zur Umsetzung eines gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ein. Die Sachverständigenkommission für den Zweiten Gleichstellungsbericht (2017) befasste sich u. a. eingehender mit der Intransparenz von Gehältern und Verdienststrukturen. Sie unterstrich die Relevanz eines Entgelttransparenzgesetzes, das damals schon im Koalitionsvertrag vorgesehen war. Die Sachverständigen hoben insbesondere zwei Instrumente hervor: betriebliche Prüfverfahren (sogenannte Entgeltaudits) und individuelle Auskunftsansprüche.
Nach dem 2017 in Kraft getretenen Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) sollen private Arbeitgeber*innen mit mehr als 500 Beschäftigten regelmäßig ihre Entgeltregelungen überprüfen. Zudem wurde Beschäftigen ein Auskunftsanspruch eingeräumt, der es ermöglicht, Informationen über die Bezahlung von vergleichbaren Tätigkeiten einzuholen.
Die Sachverständigen zum Dritten Gleichstellungsbericht (2021) „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ empfahlen anknüpfend an die vorherigen Gleichstellungsberichte die Standardisierung und Ausweitung der Berichtspflichten und der betrieblichen Prüfverfahren. Die Sachverständigen forderten zudem verbindliche Sanktionen, falls die gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllt werden. Insbesondere sollten auch kleine und mittelständische Unternehmen, die auch in der Digitalbranche einen hohen Frauenanteil aufweisen, zu Prüfverfahren verpflichtet werden.
Was ändert sich durch die neue Richtlinie für Deutschland?
Die neue Entgelttransparenz-Richtlinie schafft europaweit einheitliche Vorgaben zur Verringerung der Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten der EU – also auch Deutschland – zur Verankerung von Maßnahmen, die über das schon jetzt in Deutschland geltende Entgelttransparenzgesetz hinausgehen:
Beispielsweise müssen Arbeitgebende Arbeitssuchende über das Einstiegsentgelt oder die Entgeltspanne der ausgeschriebenen Stelle informieren. Das vorherige Gehalt darf nicht abgefragt werden. Zudem müssen Unternehmen schon ab einer Größe von mehr als 250 Beschäftigten jährlich und kleinere Unternehmen (zeitlich gestaffelt) alle drei Jahre Daten zum geschlechtsspezifische Lohngefälle vorlegen. Bei einer Lohndifferenz von mehr als fünf Prozent müssen die Unternehmen Maßnahmen in Form einer gemeinsamen Entgeltbewertung ergreifen. Außerdem gilt der Auskunftsanspruch nun für alle Beschäftigten (Art. 7) und geht damit über das deutsche Entgelttransparenzgesetz, das Ausnahmen für Kleinbetriebe vorsieht, hinaus. Darüber hinaus werden Schadenersatzansprüche verankert (Art. 16). Und die Mitgliedsstaaten müssen nun Sanktionen bei Pflichtverletzungen regeln (Art. 23). Damit greift die Entgelttransparenz-Richtlinie viele der Handlungsempfehlungen aus den Gleichstellungsberichten auf.
Wie diese Maßnahmen letztlich konkret ausgestaltet werden, ist Sache der deutschen Gesetzgebung. Deutschland hat bis Juni 2026 Zeit, die Vorschriften in nationales Recht umzusetzen und das Entgelttransparenzgesetz entsprechend zu überarbeiten. Die Reform sollte zum Anlass genommen werden, die insbesondere im Dritten Gleichstellungsbericht geforderte Standardisierung von Berichtspflichten und Verfahren zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit gesetzlich verpflichtend zu verankern. Darüber hinaus könnten kleine Unternehmen, z. B. durch die Entwicklung digitaler Tools, bei der Erfüllung ihrer Pflichten unterstützt werden.
Weitere Informationen
Dritter Gleichstellungsbericht (2021): “Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten”
Zweiter Gleichstellungsbericht (2017): “Erwerbs- und Sorgearbeit gemeinsam neu gestalten”