Der diesjährige Gender Equality Index 2023 des European Institute for Gender Equality (EIGE, deutsch: Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen) analysiert die Auswirkungen des europäischen Green Deals auf die Gleichstellung der Geschlechter und identifiziert diverse blinde Flecken und Leerstellen in seiner Programmatik. Auf diesen Erkenntnissen kann auch der Vierte Gleichstellungsbericht mit dem Schwerpunktthema „Gleichstellung in der ökologischen Transformation“ aufbauen.
EIGE Gender Equality Index 2023: Europäischer Green Deal weist blinde Flecken im Bereich Gleichstellung auf
Gender Equality Index 2023
Der Gender Equality Index misst jährlich Fortschritte (und Rückschritte) im Bereich Gleichstellung in der EU. Betrachtet werden dabei geschlechtsspezifische Indikatoren in den verschiedenen Wirkungsbereichen: Arbeit, Geld, Wissen, Zeit, Macht und Gesundheit. Diese verschiedenen Indikatoren können zu einem Indexwert zusammengefasst werden, der den Stand der Gleichstellung in den einzelnen EU-Ländern angibt. Ein Überblick über die Ergebnisse für Deutschland im Jahr 2023 ist im Länderprofil Deutschland zu finden.
Schwerpunkt: European Green Deal
Als Schwerpunktthema des Gender Equality Index 2023 wurde die sozial gerechte Transformation im Green Deal der Europäischen Union gewählt. Der Green Deal bezeichnet ein Paket politischer Maßnahmen, durch die die Wirtschaft in der EU nachhaltiger gestaltet werden soll.
Bei der Analyse des Green Deals aus einer Geschlechterperspektive konzentriert sich das EIGE auf die folgenden Themen:
- Einstellungen und Verhaltensweisen zum Klimawandel und zum Klimaschutz
- Energie
- Transport
- Entscheidungsmacht
Der aktuelle EIGE-Bericht fokussiert sich auf die Themenfelder Energie und Transport, da diese im Green Deal als Bereiche mit prioritärem Handlungsbedarf im Rahmen einer sozial gerechten Transformation benannt werden. Für das Kapitel zum Thema „Energie“ war Ulrike Röhr, Sachverständige in der Kommission des Vierten Gleichstellungsberichts, als Expertin für Gender und Energie beratend tätig.
Neue geschlechterspezifische Indikatoren für den Bereich Klima
Diverse Aspekte einer sozial gerechten Transformation, die Geschlechteraspekte konsequent mitdenkt, werden im europäischen Statistiksystem bisher nicht abgebildet. Daher wurden eigene Indikatoren entwickelt, die Geschlechtergerechtigkeit in der Transformation messen sollen. Für Deutschland zeigen die Indikatoren beispielsweise, dass klimafreundliches Verhalten bei Frauen etwas ausgeprägter ist als bei Männern. So verzichten Frauen häufiger auf Fleisch als Männer und achten bei Tätigkeiten im Haushalt stärker auf umweltfreundliche Optionen. Gleichzeitig zeigen die Daten, dass Frauen bei politischen Entscheidungen im Bereich Klima stark unterrepräsentiert und seltener als Männer beruflich in den Bereichen Transport und Energie tätig sind.
EIGE Wirkungsbereiche und ihre Verbindung zu Klima und Geschlecht
Der Bericht beschreibt für die oben genannten EIGE Wirkungsbereiche die Zusammenhänge zwischen dem Green Deal und Geschlechterverhältnissen. Um die Transformation geschlechtergerecht zu gestalten, müssen diese Zusammenhänge stärker berücksichtigt werden.
Durch die Geschlechtersegregation auf dem Arbeitsmarkt sind Männer und Frauen unterschiedlich von Veränderungen des Arbeitsmarkts betroffen. Maßnahmen des Green Deal schaffen hauptsächlich Arbeitsplätze in männerdominierten Bereichen, wie dem Energiesektor. Dies kann sich zusätzlich negativ auf die Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt auswirken. Auch die bestehenden Einkommensunterschiede und ihre Effekte, z. B. auf die Mobilität von Frauen und Männern, sollten im Green Deal nicht vernachlässigt werden. Da Frauen u. a. aufgrund von geringerem Einkommen weniger häufig ein eigenes Auto besitzen als Männer, würden sie stärker von einem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs profitieren. Dabei muss auch die Sicherheit von Frauen in öffentlichen Transportmitteln eine Rolle spielen. Im Bereich Gesundheit und Gewalt gibt es weitere geschlechtsspezifische Auswirkungen des Klimawandels, die bisher weniger bekannt sind und im EIGE-Report beschrieben werden. Gesundheitsrisiken durch extreme Hitze sind z. B. für Frauen höher als für Männer. Besonders ältere (einkommensschwächere) Frauen leiden enorm unter Hitzewellen, insbesondere wenn sie in schlecht gedämmten Häusern leben. Zudem steigt mit extremer Hitze oder Trockenheit die Wahrscheinlichkeit für Gewalt in der Partnerschaft, wie Studien aus Spanien und Australien zeigen.