Das Bundesministerium für Justiz hat am 12. April ein Eckpunktepapier für ein Gesetz gegen digitale Gewalt vorgelegt. Die Eckpunkte nehmen Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung auf, der sich umfassend mit der geschlechtsbezogenen Dimension digitaler Gewalt auseinandersetzt.
Eckpunkte zur Bekämpfung digitaler Gewalt: Mehr Unterstützung für Betroffene
Maßnahmen sollen Hürden für Betroffene abbauen
Die durch das BMJ vorgelegten Eckpunkte sollen Grundlage für ein Gesetz sein, mit dem Personen, die Gewalt im digitalen Raum erfahren, effektiver gegen digitale Bedrohungen und Übergriffe vorgehen können. Das Gesetz soll laut Koalitionsvertrag „rechtliche Hürden für Betroffene, wie Lücken bei Auskunftsrechten abbauen und umfassende Beratungsangebote aufsetzen“.
Die in den Eckpunkten genannten Maßnahmen sehen unter anderem vor, dass Menschen, die Hass im Netz ausgesetzt sind, leichter Auskunft über die Daten von Account-Inhaber*innen erhalten, zum Beispiel über deren IP-Adresse. Außerdem sollen Gerichte die Möglichkeit erhalten, Accountsperren anzuordnen und auch kurzfristig zu reagieren, um beispielsweise Daten zu sichern. Betroffene sollen zudem künftig klare Ansprechpersonen bei den Betreiber*innen der sozialen Netzwerke haben, um zum Beispiel Löschungsaufforderungen zuzustellen.
Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts
Digitale Gewalt wie Cyber-Mobbing und Hate Speech steht einer geschlechtergerechten Nutzung des digitalen Raums im Wege. Misogyne, sexistische und andere menschenfeindliche Inhalte und ihre Folgen treffen vor allem Frauen, People of Colour und marginalisierte Personen. Digitale Gewalt ist Ausdruck von Gewaltverhältnissen und kann weitreichende gesundheitliche, soziale und ökonomische Auswirkungen haben.
Gleichzeitig fehlt es an angemessenen Schutzmöglichkeiten. Die Sachverständigen des Dritten Gleichstellungsberichts haben daher Handlungsempfehlungen formuliert, die die Schutzlücken schließen sollen. Dazu gehören:
- Erleichterte Ermittlung von Accountinhaber*innen
- Beweissicherungspflichten für Plattformbetreiber*innen
- Einrichtung eines Schutzschirms bei digitaler Gewalt
- Einrichtung von Beschwerdestellen auf den Plattformen
- Meldeverfahren auf den Plattformen vereinheitlichen und vereinfachen
Weitere Empfehlungen beziehen sich u. a. darauf, Beratungsstellen im Bereich digitaler Gewalt zu stärken, zivilgesellschaftliche Expertise zu fördern und einbeziehen, Strafverfolgung und Justiz zu sensibilisieren und umfassende Daten zur geschlechtsspezifischen Gewalt zu erheben.
Einrichtung eines „Digitalen Schutzschilds“
Eine zentrale Handlungsempfehlung der Sachverständigenkommission ist die Einführung und Ausgestaltung eines umfassenden Schutzschirms bei digitaler Gewalt. Ein solches „digitales Schutzschild“ soll in akuten Bedrohungssituationen zügig und ohne hohe bürokratische Hürden zum Einsatz kommen. Dazu könnte in jedem Fall mit einer unabhängigen Stelle, zum Beispiel aus der Zivilgesellschaft, das bestehende Risiko für die jeweilige Person eingeschätzt werden. Auf dieser Grundlage könnten dann gemeinsam mit der betroffenen Person, mit Behörden und den beteiligten Unternehmen die notwendigen Schritte zum Schutz veranlasst werden, ohne dass ein Weg über die Gerichte notwendig ist.
Schritt in die richtige Richtung, aber weiterer Handlungsbedarf
Die Eckpunkte greifen damit nur einige der Handlungsempfehlungen auf. Insbesondere bleibt für Betroffene nach wie vor der Weg über die Gerichte notwendig.
Zivilgesellschaftliche Organisationen wie HateAid und die Gesellschaft für Freiheitsrechte e. V. (GFF) begrüßen das Eckpunktepapier als Vorstoß für mehr Schutz vor Gewalt im digitalen Raum. Allerdings sehen sie Verbesserungspotentiale, beispielsweisebei den Möglichkeiten von NGOs, gegen Accounts vorzugehen.
Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe e. V. (bff) sieht Handlungsbedarf vor allem bei der personellen und finanziellen Ausstattung von Beratungsstellen. Nur eine ausfinanzierte Beratungsinfrastruktur ermöglicht es, sich den Menschen, die Hass im Netz ausgesetzt sind, voll zu widmen.
Mitwirkung der Zivilgesellschaft gefragt
Die Zivilgesellschaft hat nun die Gelegenheit, zum Eckpunktepapier Stellung zu nehmen. Stellungnahmen können bis zum 26. Mai 2023 beim BMJ eingereicht werden.
Weitere Informationen
Podcast „Justitias Töchter“, Thema Hate Speech, Folge 9, Januar 2021